Reisfarmer/in EFZ

Reisfarmer/in EFZ

Puh. Sri Lovely. An keinem Ort haben wir so viel Zeit verbracht wie hier. Und kein Blogpost hat so lange auf sich warten lassen wie dieser.

Nach unserem ersten Besuch im September wussten wir nicht so recht, wie wir unsere Erfahrungen aus den drei Wochen zusammen fassen sollen. Nun, nach einem weiterem Monat auf der Farm, wissen wir das immer noch nicht. Langsam ist es aber Zeit, mit euch diesen speziellen Ort zu teilen. Diesmal sogar in einem kurzen Video – welches definitiv nicht unglaublich viel Speicherplatz, Aufwand und Motivation gefressen hat. Für drei Minuten. Anyway... Geniesst den nächsten Oscar nominierten Film – I wish.

Drei Minuten von unserem Alltag auf der Farm.

Nach insgesamt sieben Wochen auf der SRI (System of Rice Intensification) Lovely Organic Farm , haben wir viel gelernt und gesehen. Vor allem Reis und Matsch. Ah... und Blutegel.

Ausgebremst

Die Ankunft bei SRI Lovely fühlt sich an wie eine Szene aus Interstellar . Well, this little maneuver is gonna cost us 2 Months. Ohne Stress, Planen oder jegliche andere Herausforderungen schmelzen die Tage dahin, bis aus einer Woche plötzlich ein Monat wird. Inzwischen zwei. Seit langem wiedereinmal verbleiben Gedanken wie "Wo stehe ich in meinem Leben?" und "Was ist mir eigentlich wirklich wichtig?" für mehr als nur ein paar Minuten in meinem Kopf. Das langsame Farmleben lässt viel Zeit für Selbstreflexion. Sowohl im Guten als auch im Frustrierenden.

Bei unserem ersten Besuch hatten wir die Farm für uns. Der Besitzer der Farm, Kapten – sein Spitzname aus seiner früheren Militärzeit – ist ein offenherziger Mensch und hat uns direkt in seine Familie aufgenommen. Auch seine Frau, Kaka – ältere Schwester in Malay – ist allerliebst. Es wird viel gelacht und gewitzelt. Dann sind da noch die Geschwister und Bekannten von Kaka: Jai, Chikako, Jain, Patsu und Jun welche die Arbeit auf den Feldern und um die Farm erledigen.

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Kapten "überwacht" die Arbeit

You're not my workers, you're not my volunteers, you are my family.
– Kapten

Ebenfalls neu für uns, wir befinden uns zum ersten Mal in einem muslimischen Umfeld. Obwohl die Familie nicht von uns erwartet, den Regeln des Koran zu folgen, bemerken wir doch ab und zu die sehr konservativen Regeln und Idealen. Von den offensichtlichen Dingen wie den Hijabs, den sehr strengen Kleidungsregeln sowie der sehr klaren Rollenaufteilung wussten wir bereits. Neu war allerdings, dass ausserhalb der Familie sich nur das gleiche Geschlecht berühren darf. Frauen dürfen nicht alleine reisen und es dürfen keine Haustiere gehalten werden. Gebadet wird an öffentlichen Orten in Kleidern.

Offensichtlich hat sich die Farm aber schon an den westlichen Einfluss, den die Besucher mitbringen, gewohnt. Immerhin sind seit mehr als zehn Jahren jedes Jahr wieder Reisende hier. Bekleidungsregeln sowie Geschlechterrollen gelten nur sehr selten für uns. Je nach Reisende/r passen sich die Kleidungsstile mehr oder weniger den Lokalen regeln an. Einzig beim Kochen und Witzeln fällt der eine oder andere Kommentar zum Thema Geschlecht.

Da wir bei unserem ersten Besuch mehr oder weniger direkt von Singapur kamen, waren sowohl die Busfahrten als auch die Farm ein Abenteuer. Nun, nachdem wir Tonga und Indonesien erlebt haben, ist die selbe Reise beinahe gemütlich. Aber nur beinahe. Denn dass am Freitag kein Bus fährt, erfahren wir erst an der Bushaltestelle im Nirgendwo. Naja. Auch das ist schnell gelöst, Grab sei Dank.

Wie endet man auf einer Reisfarm in Malaysia?

Bevor wir aus der Schweiz los sind, haben wir uns bereits darauf vorbereitet, die Länder, welche wir bereisen, so lokal wie möglich zu erleben. Daher haben wir uns auf der Seite Workaway einen Account gemacht. Workaway bietet Reisenden die Möglichkeit, verschiedene lokale Projekte zu finden. Meist ist dies ein paar Stunden Arbeit pro Tag für Unterkunft und Essen. So findet man beispielsweise Schulen, welche englischsprachige Reisende suchen für ihren Unterricht, oder eben eine Farm.

Alle Tage wieder

Unser Alltag auf den Reisfeldern war sehr gemütlich. Gestartet haben wir mit einem Projekt von Kapten. Denn Jai, der Bruder von Kaka und Macher der Farm, verbrachte zu dieser Zeit drei Monate in Japan mit der Familie seiner Frau Chikako. Daher war die Arbeit in den Feldern zu dieser Zeit grösstenteils eingestellt und ausser Kapten und Kaka war niemand auf der Farm.

Zusammen mit Kapten haben wir um die Küche aus Bambus einen neuen Zaun gebaut und ein paar neue Beete angelegt. In diesen ersten paar Tagen fühlten wir uns ab und zu ein wenig einsam. Durch den Tag waren wir mit Kaka und Kapten auf der Farm und in der Nacht schliefen wir alleine umgeben von Natur und unserem Beschützer Itchy.

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Itchy, Reiswächter EFZ

Der Vorteil war, dass wir Kapten und Kaka gut kennen gelernt haben, was wie wir bei unserer Rückkehr feststellten, nicht selbstverständlich ist. Ausserdem konnten wir viel lernen, da die ganze Aufmerksamkeit uns galt. Beispielsweise isst man von Hand. Und viel. Sich neben Kapten zu setzen ist ein wahrer Test für die Elastizität eines Magens. Sobald der eigene Teller leer ist, hat er schnell noch einen Löffel Reis und Curry nach geschöpft. Auch über das Dorfleben, den Reismarkt und vieles anderes plaudern wir mit ihnen.

Bald schon wurde aber unser Farmleben ein wenig aufgefrischt, als Sasha und Nick aus den USA sich zu uns gesellten. Zu viert schlossen wir unser Zaunprojekt ab, pünktlich als Chikako und Jai zurückkehrten. Sasha und Nick haben viel interessantes aus ihrem Farmleben in Hawaii und den USA zu erzählen. Wir stellen ihnen viele Fragen über die US und über die ganzen Vorurteile, die immer wieder gerne aufgegriffen werden.

Mit Jai kam auch ein wenig Leben in die Farm zurück. Wir entwucherten den Gemüsegarten mit Chikako und die Felder erhielten wieder täglich Aufmerksamkeit. Unter anderem von uns natürlich. Die Arbeiten, welche ihr in dem Video seht, fassen es eigentlich zusammen. Es war eine Rotation aus Vorbereitung, pflanzen, jäten und ernten. Alles von Hand. Und natürlich biologisch. Die einzigen Maschinen, die wir ab und zu hören und sehen, ist ein Traktor, um den Matsch zu pflügen und die Maschine, um den Reis von seiner Schale zu trennen. Keine Pestizide, hausgemachter Dünger und viel Arbeit und Liebe. Auch hierzu evt. mehr in einem eigenen kleinen Post.

"Sommer" in Malaysia bedeutet Regenzeit. Dies spürten wir an der unglaublichen Luftfeuchtigkeit und natürlich am Regen. Der Vorteil war, dass es nie unerträglich heiss war. Zumindest für Asien-Verhältnisse. Der Nachteil: Die Hitze ist permanent und abkühlen ist schwierig. Zwischen Schatten und Sonne ist der Unterschied nicht gross. Der wahre Vorteil war aber, dass wir pünktlich zur Fruchtsaison auf der Farm waren. In Malaysia bedeutet dies frische Papaya, geruchsintensive –aber unglaublich gute – Durian, traumhafte Mangostan (there‘s a poem someone doesn‘t want you to know about), Litschi-ähnliche Rambutan, erfrischende Langsat und Dokong, super süsse Bananen, Kokosnüsse, alien-artige Soursop (Stachelannone), super ekelhafte – ja, vollkommen objektiv – Jackfrucht, süchtig-machende Salakfrucht (Schlangenfrucht) und wunderschöne Drachenfrucht. Wie viel wir genau gegessen haben, möchten wir hier nicht weiter erwähnen.

Ausserdem konnten wir Jai und Chikako und ihre Geschichte besser kennen lernen, da nicht viel auf der Farm los war. Wir haben die zwei ziemlich schnell ins Herz geschlossen und haben die Zeit genossen, die wir mit ihnen verbrachten. Miu, eine Freundin von Chickako, kommt zu Besuch aus Japan und wir machen einen kleinen Ausflug zu fünft. Miu wird direkt von Rebi mit Fragen zu Japan und dem Leben dort gelöchert. Miu und Chika haben vor einiger Zeit zusammen in einem Hotel gearbeitet. Chika und Jai erzählen uns, wie es ist, als internationales Paar in Malaysia zu leben. Chika war ursprünglich auch zu Besuch auf der Farm, ist dann aber zur Covid-Zeit dort stecken geblieben. Bis Heute. Sie ist Buddhistisch aufgewachsen und hat uns erzählt, wie schwierig es war, für die Heirat mit Jai zum Islam zu konvertieren. Da Jai nicht legal vom Islam konvertieren kann und aussereheliche Beziehungen nicht erlaubt sind, war dies die einzige Möglichkeit für die Beiden.

Links nach rechts: Rebi, Miu, Jonas, Chikako, Jai

Bei unserer Rückkehr im "Winter" war Trockenzeit. Dies bedeutet Hitze und keine Früchte 😢. Diesmal aber waren bereits viele andere Volunteers auf der Farm. Wir haben wieder einmal viele tolle Leute kennen gelernt. Diesmal waren aber Kapten, Kaka, Jai und Chikako eher zurückhaltend. Dafür hatten wir aber unter den Helfenden eine super Zeit. Wir hatten fast tägliche Yoga-Sessions und mehrere Wasserfall-Ausflüge. Ausserdem hatten wir wiedereinmal die Möglichkeit, mit den verschiedensten Menschen über die Welt, Reisen, Berufswahl, Politik und vieles mehr zu quatschen. Immer gut! Das Thema Volunteering blieb auch nicht verschont. Denn die Frage, ob wir als Touris hier auf der Farm effektiv eine positive Auwirkung haben, ist nicht leicht zu beantworten (evt. gibt's mehr zu dieser Diskussion in einem eigenen Post). Auch wenn wir nicht mehr so viel Zeit mit Kapten, Kaka, Chikako und Jai verbrachten, sind wir froh, dass wir beides erlebt haben!

Ehe-r speziell

Nebst dem Arbeitsalltag, gab es auch noch ganz viele andere Überraschungen. Bei Hochzeiten wird traditionell die ganze Gemeinschaft eingeladen. Wir waren ein wenig überrascht, als uns Kaka zum ersten Mal mitteilte, dass wir heute für unser Mittagessen zu einer Hochzeit gehen. Ganz im Gegenteil zu unseren Hochzeiten ist es in Malaysia nicht ein Fest unter Bekannten, sondern ein Dorf-Anlass um allen mitzuteilen, dass die zwei nun verheiratet sind. Denn wie bereits erwähnt, Dating ist keine Option im Islam. Die Hochzeit ist also mehr ein Infoanlass mit Verpflegung.

Für uns bedeutet dies, wir fahren uneingeladen mit dem Auto zu einem grossen Festzelt, welches am Strassenrand aufgestellt wurde, und nehmen uns etwas zu Essen. Ein wenig surreal für uns. Dies wiederholt sich mindestens noch fünf Mal. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen.

Zeitlos

Die Zeit die wir auf der SRI Lovely verbrachten, war in vielen verschiedenen Arten speziell. Spezielle Menschen, spezieller Alltag, spezieller Ort und spezielle Erfahrungen. Es fühlt sich gleichermassen an, als hätten wir ein halbes Jahr und zwei Wochen dort verbracht. Der Wunsch nach einer kleinen Oase weit weg vom Stadtstress hat Wurzeln geschlagen. Vielleicht irgendwann mal.

So long, and thanks for all the rice

Noch so viel mehr ist in unserer Zeit passiert, aber nun langsam schliessen wir mit unserer Reisfarm-Karriere ab. Zumindest fürs erste. Ein riesiges Merci an alle Menschen, die wir kennen gelernt haben und uns ein wenig mehr über die Welt beigebracht haben. Hoffentlich haben sie auch etwas von uns gelernt. Weiter geht's Richtung Norden. Wir sind inzwischen ziemlich sicher, dass wir wahrscheinlich Ost-Asien auf dieser Reise nicht mehr verlassen werden bevor es zurück in die Schweiz geht. Für mich absolut kein Problem!